Beweisverwertungsverbot bei heimlicher Schrankkontrolle

Fristlose Kündigung unwirksam
Bundesarbeitsgericht vom 20.06.2013

von Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte

Mit Urteil vom 20.06.2013 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der prozessualen Verwertung von Beweismitteln, die der Arbeitgeber aus einer in Abwesenheit und ohne Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführten Kontrolle von dessen Schrank erlangt hat, allein schon die Heimlichkeit der Durchsuchung entgegenstehen kann. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung ist mangels erwiesener Pflichtverletzung nicht rechtfertigt.

Der Fall – was war passiert?

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der Kläger war in einem Großhandelsmarkt als Verkaufsmitarbeiter in der Getränkeabteilung tätig. Die Beklagte hat wegen Diebstahlsverdachts in Bezug auf 4 Damenwäscheartikel durch den zuständigen Geschäftsleiter am 04.03.2011 im Beisein eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit den geschlossenen Spind des Klägers geöffnet und diesen durchsucht. Hiervon hatte der Kläger keine Kenntnis. Nach Behauptung der Beklagten entdeckte der Geschäftsleiter bei der Durchsuchung die vom Kläger entwendete Damenunterwäsche. Als der Geschäftsleiter gegen Ende der Schicht beim Kläger eine Taschenkontrolle durchführen wollte hatte dieser den Markt bereits unkontrolliert verlassen. Bei einer erneuten Durchsuchung des Spinds am selben Abend wurden die Wäschestücke nicht mehr aufgefunden. Am 07.03.2011 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, er stehe im Verdacht, zum Verkauf bestimmte Damenunterwäsche aus dem Markt entwendet zu haben. Sie lud ihn zu einem Gespräch am 11.03.2011 ein. Alternativ gab sie ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 14.03.2011. Der Kläger ließ den Gesprächstermin verstreichen und gab in der gesetzten Frist keine schriftliche Erklärung ab. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung erhoben. Er vertrat die Auffassung, es fehle an einem wichtigen Grund. Die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe keinen Diebstahl begangen, insbesondere habe er keine Damenunterwäsche in seinem Schrank aufbewahrt. Die heimliche Durchsuchung verletze sein Persönlichkeitsrecht. Daraus gewonnene Erkenntnisse seien prozessual nicht verwertbar.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.06.2013 (Az.: 2 AZR 546/12) entschieden, dass kein wichtiger Grund zur Kündigung des Klägers vorlag. Die fristlose Kündigung sei mangels erwiesener Pflichtverletzung nicht gerechtfertigt. Zwar habe der Arbeitgeber solche Pflichtverletzungen nicht zwingend vollständig nachzuweisen. Auch ein dringender Verdacht müsse aber seinerseits auf konkrete Tatsachen gestützt werden. Die Verwertung von Beweismittel, die die Beklagte aufgrund der in Abwesenheit des Klägers und insoweit für ihn heimlich erfolgten Durchsuchung gewonnen hat, sei im Streitfall aber ausgeschlossen. Das folge – sofern sich ein entsprechendes Verbot nicht bereits unmittelbar aus § 32 BDSG ergäbe – daraus, dass mit der prozessualen Verwertung der Beweismittel durch die Beweiserhebung ein – erneuter bzw. fortgesetzter – Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers einhergehe, ohne dass ein solcher Eingriff durch überwiegende Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hätte die Beklagte den Kläger zur Kontrolle des Schrankes hinzuziehen müssen. Das hätte ein zur Aufklärung des Sachverhaltes genauso effektives, den Arbeitnehmer aber weniger belastendes Mittel dargestellt. Insbesondere die “heimliche” Durchsuchung sei nicht erforderlich gewesen. Sie nehme dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, auf die Art und Weise der Durchsuchung Einfluss zu nehmen. Auch eine Taschenkontrolle mit einer anschließenden Spind-Durchsuchung sei hier als milderes Mittel in Betracht gekommen. Die Abstimmung der Vorgehensweise mit dem Betriebsrat ändere nichts an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs.

Auswirkungen auf die Praxis für Arbeitnehmer und Betriebsräte

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen und schafft Klarheit in Bezug auf die Aufklärung betriebsinterner Pflichtverletzungen. Vor der Durchführung einer datenschutzrelevanten Maßnahme müssen die mit der Maßnahme verfolgten Ziele des Arbeitgebers sorgfältig gegen die beeinträchtigten Interessen des Arbeitnehmers abgewogen werden. Im Arbeitsgerichtsprozess gibt es hierbei kein gesetzlich normiertes Beweisverwertungsverbot. Ausnahmsweise kann sich aber aus der Pflicht zur rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung ein Beweisverwertungsverbot ergeben (vgl. BVerfG, Urt. v. 13.02.2007 -1 BvR 421/05-). Festzuhalten bleibt zugunsten von Arbeitnehmern, dass “heimliche” Ermittlungsmaßnahmen nur dann durch den Arbeitgeber ergriffen werden dürfen, wenn andere, insbesondere “offene” Kontrollen nicht erfolgversprechend sind. Zudem macht das Urteil deutlich, dass auch das Vorgehen in Abstimmung mit dem Betriebsrat als Interessenvertreter des Arbeitnehmers an der Rechtswidrigkeit einer heimlichen Spind-Durchsuchung nichts zu ändern vermag.

Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte

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