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Die novellierte Gewerbeordnung
und ihre praktischen Auswirkungen auf das Arbeitsrecht

Stand 01.01.2003

Am 1. 1. 2003 ist das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24. B. 2002 (BGBl 2002 I S. 3412) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, die bislang unübersichtlichen und schwer lesbaren Vorschriften der Gewerbeordnung zu vereinfachen und aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung überflüssig gewordene Bestimmungen zu streichen. Zur Verwirklichung dieses Anliegens hat der Gesetzgeber vor allem eine komplette Neufassung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften der Gewerbeordnung (§§ 105 ff. GewO) vorgenommen. Die Neuregelungen sollen den modernen Verhältnissen Rechnung tragen und gleichzeitig die wichtigsten Elemente der arbeitsvertraglichen Beziehungen regeln (BT Drs. 14/896).

I. Die Gewerbeordnung als Standort arbeitsrechtlicher Prinzipien

Durch das Novellierungsgesetz ist nicht nur eine sprachliche Überarbeitung der GewO erfolgt, sondern eine gegenständliche und räumliche Ausweitung arbeitsrechtlicher Normen vollzogen worden (vgl. Düwell, ZTR 2002 S. 462). Zunächst wird der räumliche Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Bestimmungen der GewO erstmalig auf das Beitrittsgebiet ausgeweitet. Der Einigungsvertrag v. 31. B. 1990 (BGBl II S. 889, 1020) hatte die Erstreckung der im „Titel VII. Gewerbliche Arbeitnehmer (Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter) “ enthaltenen Vorschriften auf das Beitrittsgebiet bisher ausgeschlossen. Die Änderung der GewO ist somit auch ein Beitrag zur weiteren Vereinheitlichung des Arbeitsrechts in den alten und neuen Bundesländern (vgl. Düwell a. a. O.). Bedeutsamer als dieser Schritt der Rechtsvereinheitlichung ist der Umstand, dass durch die Reform arbeitsrechtliche Grundnormen geschaffen und manifestiert worden sind, die weit über die Gewerbeordnung hinausgehen und das gesamte Arbeitsrecht betreffen. So bestimmt § 6 Abs. 2 GewO ausdrücklich, dass die Bestimmungen des Abschnitts I des Titels VII (§§ 105 110 GewO) auf alle Arbeitnehmer (AN) Anwendung finden, während die Anwendung bisher auf gewerbliche AN beschränkt war. Bereiche wie entgeltliche Kindererziehung, die Tätigkeit von Freiberuflern, in der Urproduktion oder in Heilberufen Beschäftigte waren bisher ausgenommen. Nun sind beispielsweise auch angestellte Rechtsanwälte und Ärzte (auch solche, die scheinbar selbständig sind) in den Anwendungsbereich einbezogen (vgl. Perreng, AIB 2002 S. 521):

II. Die inhaltlichen Änderungen im Einzelnen

1. Vertragsfreiheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber (§ 105 GewO)

§ 105 GewO n. F. regelt wie bisher § 105 a. F. GewO die freie Gestaltung des Arbeitsvertrags und ist wie folgt normiert:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrags frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder. einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Soweit die Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes.

Sowohl in dem alten als auch in dem neuen § 105 GewO ist die Vertragsfreiheit zwischen ArbG und AN beim Abschluss des Arbeitsvertrags geregelt. ArbG wie AN steht es grundsätzlich frei, darüber zu entscheiden, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis und ggf. mit wem begründet wird. Die bereits durch Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Privatautonomie wird hierdurch nochmals einfachgesetzlich klargestellt (Schöne, NZA 2002 S. 830). Die Neubestimmung enthält keine Formvorschrift für den Abschluss eines Arbeitsvertrags. Somit kann sich das Erfordernis der Schriftform nur aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen wie für den Fall der Befristung aus § 14 Abs. 4 TzBfG oder aus einem anwendbaren Tarifvertrag oder dem individuellen Arbeitsvertrag ergeben (Düwell a. a. O.) . Neu gegenüber der alten Regelung ist, dass nicht nur auf die gesetzlichen Vorschriften, sondern auch auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen verwiesen wird, die vorrangig zu beachten sind und die diese Vertragsfreiheit einschränken können. Anwendbarer Tarifvertrag i. S. von § 105 Satz 1 GewO ist ein aufgrund Tarifbindung der Vertragsparteien, Allgemeinverbindlicherklärung oder einzelvertraglicher Bezugnahme im Arbeitsverhältnis geltender Tarifvertrag. (BT Drs. 14/8796 S. 23). Zwar ist auch diese Klarstellung bereits geltendes Recht. Dass es jedoch nochmals ausdrücklich aufgeführt worden ist, verleiht dieser Tatsache besonderes Gewicht und hilft damit auch rechtsunkundigen Personen (Perreng a. a. O:).

§ 105 Satz 2 GewO hat lediglich deklaratorische Wirkung und soll nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Bestimmungen des Nachweisgesetzes zu beachten sind (vgl. dazu NWB F. 26 S. 3577). Die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrags sind demnach spätestens einen Monat nach vereinbartem Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen und vom ArbG unterzeichnet an den AN auszuhändigen. Eine Rechtsfolge bei Verstößen gegen § 105 GewO sieht die neue gesetzliche Normierung nicht vor. Dies war jedoch nicht notwendig, da insoweit die allgemeinen Vorschriften über die Folgen von Verstößen gegen zwingendes Gesetzesrecht, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung Anwendung finden. Hier ist insbesondere auf die § 134 BGB, § 4 TVG und § 77 BetrVG zu verweisen (Schöne a. a. O.). z. Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 1 06 GewO)

Das bisher in § 121 GewO geregelte Weisungsrecht wird in § 106 GewO wie folgt neu gefasst:

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Das Weisungsrecht des ArbG ist ein Kernelement in den Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien. Es ist als charakteristischer, dem Arbeitsvertrag innewohnender Bestandteil inzwischen allgemein anerkannt (vgl. ErfK Preis, § 611 BGB, Rn. 289; Landmann Rohmer/Neumann, GewO § 121 Rn. 6). Wer dem Weisungsrecht eines Dritten unterliegt, ist grundsätzlich AN; wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, ist im Regelfall Selbständiger (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB).. Das Weisungsrecht war bislang lediglich im Hinblick auf Gesellen und Gehilfen normiert. Nunmehr gilt es aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 2 GewO für alle AN. Welche Arbeiten ein AN zu verrichten hat, ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag und den dort getroffenen Regelungen (vgl. BT Drs. 14/8798 S. 26). Bei einer nur rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht, z. B. „Sachbearbeiter“, kann der ArbG nach billigem Ermessen bestimmen, welche konkrete Arbeitsaufgabe seine Beschäftigten übernehmen sollen und dem AN im vorgegebenen Rahmen Arbeiten zuweisen, soweit die Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung und betriebliche Übung, Tarifvertrag oder Gesetz im Einzelnen festgelegt oder das Weisungsrecht begrenzt ist (BT Drs. 14/8796 S. 24). Ist die zu erbringende Arbeitsleistung bereits konkretisiert, ist für die Ausübung des Direktionsrechts, also die Frage, ob die Zuweisung der Tätigkeit billigem Ermessen entspricht, kein Raum (vgl. BAG, AP Nm. 26, 23 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Zur Begrenzung des Weisungsrechts durch gesetzliche Bestimmungen gehört auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BT Drs. a. a. O.). Dies entspricht der st. Rspr. des BAG und der überwiegenden Meinung in der Literatur, wonach eine einseitige Anordnung des ArbG, die, unter Missachtung eines zwingenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats erfolgt, unwirksam ist (BAG, NZA 1992 S. 749; Däubler/Kittner/ Klebe, BetrVG, B. Aufl. 2002, § 87 Rn. 4). Die Nichtbefolgung einer solchen Anordnung stellt keine Pflichtverletzung durch den AN dar und kann daher nicht durch. den ArbG sanktioniert werden (Schöne a. a. O.).

Als allgemeine Grenze des Weisungsrechts bleibt schließlich, dass das Weisungsrecht „billigem Ermessen“ entsprechen muss (vgl. BAG, Urt. v. 23. 6. 1993, DB 1994 S. 482; ErfK Preis, § 611 BGB Rn. 293). Dies bedeutet, dass der ArbG sich an den konkreten Umständen, d. h. auch an den Fähigkeiten und Kenntnissen des AN, zu orientieren hat (Perreng a. a: O.). Bei der Ausübung des Weisungsrechts ist der ArbG außerdem nach § 241 Abs. 2 BGB i. d. F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes v. 26. 11. 2001 (BGBl 2001 1 S. 3138) zur. gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragspartners verpflichtet. In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, dass „nach einem modernen Verständnis der arbeitsrechtlichen Beziehungen . . . Unternehmen heute, vor allem auch im globalen Wettbewerb, nicht mehr nur durch Über und Unterordnung, sondern durch ein eher partnerschaftliches Miteinander von ArbG und Beschäftigten bestehen“ können und der ArbG prüfen soll, „ob den Beschäftigten ein eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum dort eingeräumt werden kann, wo dies betriebsorganisatorisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist“. Es handelt sich hierbei um personalpolitische und betriebswirtschaftliche Überlegungen, die im Gesetz aber insoweit keinen Niederschlag gefunden haben. Der AN hat keinen Anspruch darauf, dass der ArbG das in der Begründung des, Gesetzesentwurfs dargestellte personalpolitische Programm umsetzt (Bauer/Opolony, BB 2002 S. 1591). Festzuhalten bleibt daher, dass ein Anspruch des AN auf die Ausübung des Weisungsrechts in einer bestimmten Art und Weise grundsätzlich nicht besteht. Es wird lediglich das Ermessen des ArbG bei der Ausübung seines ihm allein zustehenden Weisungsrechts ausdrücklich der Billigkeit unterworfen. § 106 GewO hat ausschließlich begrenzende, nicht aber anspruchsbegründende Wirkung (Schöne a. a. O.). Gegen eine unzulässige Ausübung des Weisungsrechts steht dem AN nur ein Abwehrrecht zu.

In § 106 Satz 2 GewO der Neufassung wird das Weisungsrecht auch auf das Ordnungs und Arbeitsverhalten der AN im Betrieb ausgedehnt. In der Gesetzesbegründung sind dazu als Beispiele die Erteilung von Rauchverboten, die Durchführung von Eingangskontrollen oder die Weisung, Schutzkleidung zu tragen, aufgeführt (BT Drs. a. a. O.).

§ 106 Satz 3 GewO statuiert schließlich, dass der ArbG bei der Ausübung des Ermessens auch auf Behinderungen des AN Rücksicht zu nehmen hat. Die Vorschrift legt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen aus Art. 3 Abs. 3 GG und § 81 Abs. 4 SGB IX sowie der Rechtsprechung zur Fürsorgepflicht der ArbG fest, dass sie bei der Ausübung ihres Ermessens auf Behinderungen der AN Rücksicht zu nehmen haben. Zwar wird in der Gewerbeordnung der Begriff der“ Behinderung“ nicht selbständig definiert. In der Gesetzesbegründung wird jedoch ausgeführt, dass die Behinderungen sowohl genetisch als auch krankheits , unfall oder altersbedingt sein können.

Die Definition des Begriffs der Behinderung hat sich hierbei an § 2 Abs. 1 SGB IX zu orientieren (BT Drs. a. a. O.).

3. Berechnung des Arbeitsentgelts (§ 107 GewO)

Die Berechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts wurde bisher in § 115 GewO a. F. geregelt. Diesen ersetzt nun § 103 GewO n. F. wie folgt:

(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.

(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und ‚Güte sein, soweit nicht eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.

(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.

a) Auszahlung in Euro (§ 107 Abs. 1 GewO) Die Regelung des § 10’it Abs. 1 GewO übernimmt .die bisher in § 115 Abs. 1 GewO geregelten Vorschriften über die Berechnung und Auszahlung des Arbeitsentgelts in Euro (vgl. hierzu Gerlind, DB 2002 S. 1883, die § 10′;t Abs. 1 GewO als dispositives Recht ansieht, um den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit zu eröffnen, in Ar- beitsverträgen eine Entgeltzahlung in einer anderen Währung als Euro zu verein- baren; a. A. Bauer/Oppolony, BB 2002 S. 1592).

b) Grenzen für die Anrechnung von Sachbezügen (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GewO) Der neu gefasste § 103 Abs. 2 Satz 1 GewO regelt die Gewährung von Sachbezügen als Arbeitsentgelt. Damit wird das seit alters her in § 115 Abs. 2 GewO geregelte Truckverbot berücksichtigt. Die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien wird insoweit eingeschränkt. Sachbezüge können als Teil des Arbeitsentgelts nur verein- bart werden, soweit dies dem Interesse des AN entspricht. Das ist z. B. dann der Fall, wenn es sich um die Überlassung eines Kraftfahrzeugs handelt, das auch vom AN privat genutzt werden darf (so BT Drs. 14/8’96 S. 24). Ein Sachbezug darf auch vereinbart werden, soweit diese Vereinbarung der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Das ist insbesondere in der Gastronomie, in der Lebensmittelbranche oder im Brauereigewerbe von Bedeutung. In diesen Branchen werden üblicherweise Deputate überlassen und z. T. als anrechenbares Arbeitsentgelt gewertet.

c) Verbot der Überlassung von Waren auf Kredit (§ 107 Abs. 2 Satz 2 bis 5 GewO) § 107 Abs. 2 Satz Z GewO, der das Verbot der Warenüberlassung auf Kredit regelt, entspricht der bisherigen Rechtslage. Er soll verhindert werden, dass sich der AN durch die Kreditierung von Waren verschuldet und somit in Abhängigkeit gegen- über dem ArbG gerät (BT Drs. a. a. O.). Vom Kreditierungsverbot des § 10′;= Abs. 2 Satz 2 GewO ist die Überlassung von Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt zu unterscheiden. Nach § 103 Abs. 2 Satz 3 GewO kann der ArbG dem AN Waren zum durchschnittlichen Selbstkostenpreis überlassen und diesen vom Arbeitsentgelt einbehalten. Wie aber wird der Selbstkostenpreis des ArbG ermittelt? Das Gesetz enthält hierzu keine Definition.

Der Selbstkostenpreis ist nicht deckungsgleich mit dem Einkaufs oder Verkaufspreis und somit unbestimmt. Ziel der Regelung ist, dass der ArbG weder Verlust erleidet noch Gewinn erzielt. In der Gesetzesbegründung wird lediglich erläuternd das Beispiel des Werksverkaufs angeführt (BT Drs. 14/8796 S. 25). Dies ist jedoch unzutreffend, da hier die Waren eben nicht zum Selbstkostenpreis abgegeben werden, sondern der AN lediglich einen Preisnachlass erhält (Gerlind a. a. O.). Das Fehlen einer klaren gesetzlichen Definition wird im Streitfall zu einer Billigkeitskontrolle durch die Gerichte führen.

Um zu verhindern, dass dem AN Nachteile dadurch entstehen, dass er Waren direkt von seinem ArbG und nicht anderweitig erwirbt, regelt § 107 Abs.. 2 Satz 4 GewO, dass es sich bei den Sachbezügen in Anlehnung an § 243 Abs. 1 BGB um solche von mittlerer Art und Güte handeln muss. Da die AN jedoch auch Interesse an minderwertigeren und daher billigeren Gegenständen (2. Wahl, B Sortierung) haben können, ist die Leistung solcher Waren ebenfalls zulässig, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags dies ausdrücklich vereinbart haben (BT Drs. a. a. O.).

Damit die wirtschaftliche Freiheit des AN gewährleistet bleibt, ist in § 103 Abs. 2 Satz 5 GewO bestimmt, dass ihm der ArbG mindestens das Arbeitsentgelt in Höhe des Pfändungsfreibetrags in Geld leisten muss. Beschäftigte sollen nicht in eine Lage geraten, in der sie Gegenstände, die sie als Naturallohn erhalten haben, erst verkaufen müssen, bevor ihnen Geld zur Verfügung steht. Die Vorschrift schließt Bestimmungen über die Gewährung von Sachbezügen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen nicht aus. § 10 BBiG, nach dem Sachbezüge 75 % der Bruttovergütung eines Auszubildenden nicht übersteigen dürfen, bleibt unberührt (BTDrs. a. a. O.).

d) Verbot der Anrechnung von Trinkgeld (§ 107 Abs. 3 GewO)

§ 107 Abs. 3 GewO, der verbietet, dass AN lediglich gegen Trinkgeld arbeiten, entspricht der bisherigen Rechtsprechung, dass dem AN nicht das volle Betriebsund Wirtschaftsrisiko auferlegt werden darf. Eine Ausnahme besteht jedoch bei Spielbanken, bei denen die Entlohnung der Beschäftigten meistens in der Weise durch Tarifvertrag geregelt ist, dass der ArbG die wesentlichen Personalausgaben der Beschäftigten nicht selbst bestreitet, sondern nur Trinkgelder der Casinobesucher auskehrt, die im sog. Tronc gesammelt werden. Das BAG hat in st. Rspr. dieses Entgeltverfahren akzeptiert (zuletzt BAG v. 24. 1. 2001, NZA 2002 S. 351). Eine Entgeltzahlung aus dem vom ArbG. verwalteten Trinkgeldtronc dürfte mit dem neuen arbeitsrechtlichen Grundsatz der Nichtanrechnung von Trinkgeld schwer zu vereinbaren sein (Düwell a. a. O.).

4. Abrechnung des Arbeitsentgelts (§ 108 GewO)

Der bisherige § 134 Abs. 2 GewO wird durch den neuen § 108 GewO ersetzt. Inhalt der Regelung ist weiterhin die Abrechnung des Arbeitsentgelts. Die Regelung hat folgenden Wortlaut:

(1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.

(2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

Der neue § 108 GewO regelt nunmehr detailliert Abrechnungszeitpunkt und Inhalt der Abrechnung. Die Regelung soll die Beschäftigten in die Lage versetzen, die Berechnung ihres Entgeltanspruchs nachvollziehen und überprüfen zu können (BTDrs. 14/8396 S. 25). Abrechnungsverpflichtet ist jeder ArbG, unabhängig davon, wieviel AN er beschäftigt. § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO knüpft wie § 134 Abs. 2 GewO a. F. die Obliegenheit zur Abrechnung an den Zeitpunkt der Zahlung des Arbeitsentgelts. Wird beispielsweise der Lohn auf ein Bankkonto überwiesen, muss dem AN die Abrechnung bei der Überweisung übergeben werden. Erfolgt eine Barauszahlung, so ist der Auszahlungstag maßgeblich (Schöne a. a. O.). Die Abrechnungsverpflichtung entfällt gem. § 108 Abs. 2 GewO, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäß erstellten Abrechnung nicht geändert haben. Zweck dieser Bestimmung ist es, unnötigen bürokratischen Aufwand zu vermeiden.

Mit der Neuformulierung der Abrechnungspflicht wurde auch klargestellt, dass die Abrechnung nicht schriftlich gem. § 126 Abs. 1 BGB mit einem Handzeichen des Ausstellers unterzeichnet sein muss, sondern die Textform (§ 126b BGB) genügt. Die üblichen Abrechnungssysteme (etwa DATEV) können daher uneingeschränkt verwendet werden. Daneben ist es nunmehr zulässig, Abrechnungen per E Mail zu versenden (§ 126a BGB).

5. Zeugniserteilung (§ 109 GewO)

In § 109 GewO werden die veralteten gewerberechtlichen Bestimmungen zur Erteilung eines Zeugnisses neu gefasst. Dazu wird von der bisherigen Formulierung in § 113 Abs. 1 bis 3 GewO ausgegangen. Die neue Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen. enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

§ 109 GewO regelt nun eigenständig und abschließend den Anspruch eines AN auf das Zeugnis sowie die inhaltlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Zeugnis. Das Zeugnis ermöglicht AN den Nachweis über Art und Dauer ihrer bisherigen Tätigkeiten. Es dient als Bewerbungsunterlage und ist für ihr berufliches Fortkommen von großer Bedeutung. Andererseits besteht ein schutzwürdiges Interesse der einstellenden ArbG an einer möglichst wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die fachlichen und persönlichen Qualifikationen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung zur sorgfältigen Abfassung eines schriftlichen Zeugnisses (BT Drs. 14/8396 S. 25). Das Konkurrenzproblem zum BGB (§ 630 BGB: Pflicht zur Zeugniserteilung) ist zugunsten der GewO gelöst.

Nach Art. 4 des Änderungsgesetzes findet § 109 GewO wie schon § 6 Abs. 2 GewO regelt auf alle AN Anwendung. Der Anwendungsbereich des § 630 BGB ist damit auf arbeitnehmerähnliche Personen und auf sonstige Dienstverhältnisse beschränkt, die keine Arbeitsverhältnisse sind. In § 109 Abs. 3 GewO ist geregelt, dass das Zeugnis nicht in elektronischer Form erteilt werden darf. Die Vorlage von Zeugnissen in elektronischer Form gegenüber Dritten, insbesondere bei Bewerbungen in kleinen und mittleren Unternehmen, ist heute noch nicht üblich. Bis sich die elektronische Form in gleicher Weise wie die herkömmliche Schriftform im Rechtsgeschäftsverkehr etabliert hat und sich die Möglichkeit elektronischer Bewerbungen verbreitet, soll es bei der Schriftform des Zeugnisses bleiben (BT Drs. a. a. O.).

Fachanwalt für Arbeitsrecht für Arbeitnehmer Markus Bär

Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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